1) Wann haben Sie begonnen zu fotografieren? Wie ist Ihre Karriere in der Fotografie verlaufen?
2013 habe ich angefangen zu fotografieren, zunächst um meine Stadt, Paris, zu entdecken und die Straßen, die Architektur und das Leben der unterschiedlichen Viertel zu dokumentieren. Ich hatte das Glück als Kind viel zu reisen und an den unterschiedlichsten Stellen der Erde zu leben, in Städten in Afrika, in Süd- und Nordamerika und Asien. Mein Vater arbeitete im Ausland für ein großes börsennotiertes Unternehmen und meine Kindheit und Jugend waren von den zahlreichen Umzügen nach Houston, Montreal, Buenos Aires oder Tokio geprägt und haben in mir den Gefallen an Architektur und Städte geweckt. Ich denke, dass mein Aufenthalt in Tokio im Alter von 12 bis 17 Jahren mich am meisten beeindruckt hat. Der Kontakt mit der Architektur von Tadao Ando oder Rafael Vinoly hat sich in eine Leidenschaft gewandelt, die heute Hauptthema meiner Fotografie ist und auch meine Hauptbeschäftigung. Parallel zu meiner Karriere als Fotograf habe ich Ingenieurswissenschaften studiert und arbeite heute außerdem als Berater für Innenarchitektur, was es mir erlaubt tagtäglich mit Architekten, Handwerkern oder Unternehmensleitern zusammenzuarbeiten. Diese doppelte Beschäftigung als Berater und Fotograf bietet mir ein umfassenderes Bild der Architektur in Hinblick auf Funktionalität, Volumenverständnis und Ästhetik der Innenräume. Im Anschluss an mein Studium der Ingenieurswissenschaften in Südfrankreich und nach meiner Rückkehr nach Paris, meiner Geburtsstadt, ist mir klar geworden, dass ich diese Stadt gar nicht so gut kannte und ich Lust hatte, sie zu entdecken. Diese urbane Entdeckungsreise habe ich mit einem einzigen Werkzeug unternommen, meinem iPhone. Zu dieser Zeit waren wir erst ganz am Anfang von Instagram und ich war von einigen Amateurfotografen und den wunderschönen, nur etwas mit einigen Retusche-Apps veränderten Fotos, die sie mit denselben Werkzeugen machten wie ich, sehr beeindruckt. Zu diesem Augenblick hat es bei mir „Klick“ gemacht und mein Ziel war es nicht einfach nur, die Stadt zu dokumentieren, sondern eine Geschichte zu schreiben, meine Entdeckungsgeschichte, aus einer neuen Perspektive. Das Retuschieren der Bilder mit Apps hat es mir ermöglicht einen eigenen Stil zu entwickeln und ich habe auf diese Weise eine neue Leidenschaft für mich entdeckt.
WANN UND MIT WELCHER ABSICHT SIND DIESE FOTOGRAFIEN ENTSTANDEN?
Meine neue Leidenschaft für urbane Erforschung hat schnell dazu geführt, öfter für Fotos zu reisen und ich habe begonnen mich wieder für andere Millionenstädte zu interessieren (Dubai, Tokio, Hongkong und Schanghai). Die Modernität, die Energie und die Dimensionen dieser Städte haben mich an meine Jugend in Japan erinnert und sehr fasziniert. Die moderne, allgegenwärtige Architektur, die sich so deutlich vom Klassizismus in Paris unterscheidet, hat mich befreit und zahlreiche urbane Fotoserien entstehen lassen, in denen Nachtaufnahmen dominieren. Diese Bildserien haben dazu geführt, dass ich meine Arbeit als Fotograf neu überdachte und mein besonderes Augenmerk was Beleuchtung, Perspektive und Komposition betrifft, hat mir geholfen einen Stil zu entwickeln, der die Gebäude zur Geltung bringt. Mein Sinn für Ästhetik und die Funktionalität von Räumen haben dazu geführt, dass ich deren Rolle im Leben der Menschen auf besondere Weise hervorheben wollte: Tempel des Wissens oder Heilige Orte, festgehalten in Fotoserien zu den schönsten Bibliotheken und Gotteshäusern der Welt. Ich habe mich für Bibliotheken und Kirchen entschieden, weil ich durch die Geschichte hindurch blicken und Räume mit einer nahezu unveränderten Funktion zeigen wollte, die über die Jahrhunderte und abhängig von ihrem Standort sehr unterschiedlich interpretiert wurden. Es war mir außerdem wichtig zu unterstreichen, dass es in unserer Zeit des digitalen Wissens und der leicht und ständig verfügbaren Informationen, die Bibliotheken nach wie vor viel zu bieten haben, was Tiefe und Aufklärung betrifft, Themen, die heute wichtiger denn je sind. Das wurde mir klar, als ich den Andrang in den Bibliotheken sah, ob es sich um Studenten oder um Touristen aus der ganzen Welt handelte. Bibliotheken sind Orte, die Generationen, manche bereits Jahrhunderte, überdauert haben und mit einem präzisen Ziel errichtet wurden: um zu studieren und Wissen weiterzugeben und die weltweit für ihre Büchersammlungen bekannt sind.
WELCHE FOTOGRAFISCHE TECHNIK HABEN SIE VERWENDET UND WELCHE EFFEKTE WOLLTEN SIE DAMIT ERZIELEN?
Es handelt sich außerdem um eine Art und Weise für mich einige meiner Lieblingsfotografen zu ehren, wie Candida Höfer und Hiroshi Sugimoto, die diese Technik mit ihren Serien von Monumenten in der ganzen Welt oder Kinos im Dunkeln entwickelt haben. Meine Herangehensweise ist allerdings moderner, denn ich verwende Digitalfotografie und bevorzuge eine buntere und kontrastreichere Retusche als meine Idole. In der Kontinuität meiner Vorgänger war mir ebenfalls daran gelegen diese Orte menschleer zu fotografieren, um so surrealistische und zeitlose Porträts dieser Monumente anzufertigen. Es handelt sich dabei auch um ein Mittel für mich einen besonderen Moment in den Räumen zu verbringen, die mir für die Bilder zur Verfügung stehen und diesen Augenblick voll und ganz zu genießen. Ich liebe große Räume, daher habe ich die Bibliotheken danach ausgesucht und dabei besonders auf das Licht, natürlichen oder künstlichen Ursprungs, geachtet. Das Licht ist besonders wichtig in den Lesesälen, um Lichtschäden an den Büchern zu verhindern und dennoch das Lesen angenehm zu gestalten. Die meisten dieser Bibliotheken wurden vor dem Zeitalter der Elektrizität erbaut und aus diesem Grund war eine natürliche Lichtquelle ein wichtiger Faktor bei ihrer Errichtung. Zu dieser Zeit waren Bücher das beste Mittel der Wissensvermittlung und die Städte gaben Vermögen aus, um diese Tempel des Wissens beständig in der Zeit zu machen.
WELCHE SIND IHRE GRÖSSTEN INSPIRATIONSQUELLEN?
Die Welt in der wir leben, verändert sich pausenlos und ich schätze besonders die alten Fotos und Postkarten der Städte, die ich heute kenne (Paris Anfang des 20. Jahrhunderts, New York in den 50er und 60er Jahren oder Tokio 1980). Den größten Einfluss auf mich haben mit Sicherheit die Fotografen der 80er, 90er und 2000er Jahre, sowie der Film im Allgemeinen. Die Architektur, die Ladenfronten, die Schilder – alles hat sich verändert und ich möchte diese Orte für die Zukunft festhalten. Dabei kommt auch ein leicht nostalgischer Beigeschmack zum Tragen. Ich möchte gerne meine Sicht auf die Architektur und die Städte teilen, die ich so schön finde.
WELCHE SIND IHRE FAVORITEN BEI YELLOWKORNER?
Immer schon habe ich die Arbeit von Franck Bohbot und die Inszenierungen von Nicolas Bets geschätzt.